"Zahlen, Daten und Fakten alleine gewinnen keine Kampagne"

I m Interview mit dem rbb analysiert Julius van de Laar die Olympia-Bewerbungen von Hamburg und Berlin mit Blick auf den unterschiedlichen Aufbau der beiden Kampagnen. 

rbb: Herr van de Laar, stellen Sie sich vor, Sie müssen eine Stadt wie Berlin oder Hamburg von den Olympischen Spielen überzeugen – es geht darum, eine Meinungsumfrage zu gewinnen. Was ist Ihre oberste Priorität?

Julius van de Laar: Jeder, der schon einmal eine Kampagne geleitet hat, kennt die Herausforderung: Die Zeit ist knapp und das Budget gering. Die entscheidende Frage lautet: Ist es realistisch, mit den gegebenen Rahmenbedingungen die öffentliche Meinung vor der Meinungsumfrage Ende Februar zu beeinflussen?

rbb: Worauf kommt es dabei an?

Julius van de Laar: Die Olympischen Spiele sind grundsätzlich positiv besetzt. Allerdings haben die Berliner und Hamburger nicht immer die besten Erfahrungen mit Großprojekten gemacht — man denke an den Flughafen BER oder die Elbphilharmonie. Unter Anbetracht der knappen Zeit ist es fraglich, inwieweit die durchaus berechtigten Vorbehalte argumentativ ausgeräumt werden können. Beide Bewerber müssen selbstverständlich ihre Hausaufgaben machen und Antworten auf die Fragen: "Wie viele Wohnungen entstehen durch die Olympischen Spiele", "Wie viele Arbeitsplätze entstehen?" oder "Wie sieht das Finanzierungskonzept aus?" liefern. Doch Zahlen, Daten und Fakten alleine gewinnen keine Kampagne. Entscheidend ist, ob es den Bewerbern gelingt, Olympia 2024 mit starken Emotionen zu verbinden.

rbb: Welcher Slogan überzeugt Sie emotional mehr: "Wir wollen die Spiele" oder "Feuer und Flamme für Olympische Spiele"?

Julius van de Laar: Ziel der Kampagne ist es zu zeigen, dass die Menschen geschlossen hinter der Bewerbung stehen. Berlin knüpft mit dem "Wir" im Slogan genau an dieses Gemeinschaftsgefühl an. Das hat auch einen psychologischen Effekt. Die meisten von uns möchten lieber dazugehören und nicht alleine gegen etwas sein, wenn der Großteil dafür ist. Wahlkampfstudien zeigen, dass Menschen eher wählen gehen, wenn sie hören, dass die Wahlbeteiligung hoch ist, als wenn ihnen gesagt wird, dass bisher kaum jemand gewählt hat, und sie deshalb nun mehr Einfluss hätten.

rbb: Was wirkt besser: Veranstaltungen, Lichtinstallationen, ein Olympia-Song, ein Hashtag oder viele Facebook-Likes?

Julius van de Laar: Derzeit ist die Reichweite der Kampagnen in den Sozialen Medien überschaubar, aber die Berliner machen auf Facebook viel richtig: Sie sind bei Veranstaltungen dabei, machen Fotos von Familien, die durchs Olympiastadion laufen und ihre Unterstützung für die Bewerbung bekunden, sind am Flughafen und dokumentieren den neuen Olympia-Flieger. Allerdings sind Facebook-Likes alleine keine relevante Größe. Entscheidend ist es, in kurzer Zeit Reichweite zu generieren und Multiplikatoren zu mobilisieren, die die Spiele unterstützen. Eine Unterstützer-Kampagne, die ihr eigenes Netzwerk anspricht und von der Idee der Olympischen Spiele in der eigenen Stadt überzeugt, ist aus meiner Sicht die effektivste Herangehensweise.

rbb: Berlin setzt auf Plakate, Videoclips und Flyer, Hamburg eher auf Veranstaltungen. Was funktioniert besser?

Julius van de Laar: Das lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Erfolgreiche Kampagnen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die knappen Ressourcen mit einer hohen Effizienz einsetzen. In Berlin leben über 3 Millionen Menschen, von denen viele in sozialen Netzwerken wie Facebook aktiv sind. Es gilt zu überprüfen, ob Berliner, die von Alba Berlin, Hertha, den Eisbären, Leichtathletik oder anderen Sportarten begeistert sind, auch die Olympia-Bewerbung befürworten. Falls sich diese Hypothese bejaht, ist die Mechanik und das Vorgehen offensichtlich: Wenn wir wissen, jemand ist Hertha-BSC Fan, schalten wir eine Fußball-Botschaft. Wer Basketball liebt bzw. "Gefällt mir" bei Alba Berlin auf Facebook geklickt hat, bekommt Olympia-Werbung mit Basketball-Branding angezeigt. Diese Herangehensweise erlaubt es, in kurzer Zeit die richtigen Zielgruppen mit den passenden Botschaften zu erreichen und zu mobilisieren.

rbb: Berlin Partner sagt, über Unternehmen seien bisher rund 150.000 Euro gesammelt worden, in Hamburg hat der Mäzen Alexander Otto nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Euro für Aktionen und Veranstaltungen gesammelt. Ist das viel oder wenig Geld?

Julius van de Laar: Der Bundestagswahlkampf kostet SPD und CDU rund 25 Millionen Euro. Das sind andere Dimensionen. 150.000 Euro sind ein überschaubarer Medienetat. Gleichzeitig hätte Berlin ein gigantisches Glaubwürdigkeitsproblem, wenn plötzlich 10 Millionen Euro an Werbemitteln in die Bewerbung fließen — die öffentliche Wahrnehmung ist entscheidend.

rbb: Sie haben sich beide Kampagnen angeschaut – welche schätzen Sie als erfolgversprechender ein?

Julius van de Laar: Klar hoffe ich persönlich, dass Berlin gewinnt. Gleichzeitig wird es schwierig, den Entscheidungsprozess mit den finanziellen Ressourcen und Taktiken, wie ich sie wahrnehme, zu beeinflussen. Wir sprechen von einer Forsa-Umfrage, bei der 1.000 Menschen in Städten mit mehreren Millionen Einwohnern befragt werden. Wie die Website aussieht, wie hoch die Klickzahlen sind und welche Facebook Fan-Page mehr "Likes" hat, das ist nicht ausschlaggebend. Leider wissen wir nicht, welche 1.000 Berliner oder Hamburger in ein paar Wochen von Forsa angerufen werden. Mit dieser Information könnte man die Kampagne und deren Erfolgschancen deutlich besser beurteilen.

 

Das Interview führte Tina Friedrich und es ist im Text "Facebook-Likes sind nicht ausschlaggebend" am 06.02.2015 auf der Website des rbb erschienen.