"Der wichtigste Erfolgsfaktor einer Kampagne ist die ihr zugrundeliegende Strategie"

Der bundesweit bekannte Grünen-Politiker und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer stellte sich 2014 zur Wiederwahl und konnte diese bei drei Gegenkandidaturen bereits im ersten Wahlgang mit 61,7 % klar für sich entscheiden. Ausschlaggebend für seinen Wahlerfolg waren eine fundierte Strategie und eine durchdachte und klare Kampagne.

Lorenz Brockmann, seit 2011 Geschäftsführer der Cadea Rhetorik-Agentur, Dozent, Trainer, Projektleiter und Berater organisierte diese erfolgreiche Kampagne und sprach darüber mit der Campaigning Academy im Interview:

CAB:

Herr Brockmann, Sie haben in Tübingen für den Grünen Oberbürgermeister Boris Palmer 2014 einen sehr erfolgreichen Wahlkampf organisiert. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Herrn Palmer?

Brockmann:

Im Januar 2014 erhielt ich von Boris Palmer die Anfrage, ob ich seinen Wahlkampf organisieren und durchführen könne. In den Jahren zuvor hatte ich mit meiner Agentur bereits erfolgreiche Wahlkämpfe und Kampagnen konzipiert und umgesetzt, darunter auch der Bundestagswahlkampf der Grünen im Wahlkreis Tübingen. In den ersten Gesprächen erarbeiteten wir die Leitlinien der Zusammenarbeit und erste Ansätze für eine Kampagne. Anfang März entschied die Wahlkampfkommission über mein Angebot, so dass mein Team und ich ab Mitte März mit der Erarbeitung der Wahlkampf-Strategie sowie mit der Entwicklung der Kampagne beginnen konnten.

CAB:

Sie haben für den Wahlkampf eine klare Strategie formuliert mit dem Ziel die absolute Mehrheit für den Kandidaten zu erreichen. Was waren die Kernpunkte ihrer Strategie und wie lang dauerte die Entwicklung?

Brockmann:

Im Rahmen der Strategieerarbeitung führten wir zunächst eine eingehende Analyse aller wahlrelevanten Faktoren durch, definierten Ziele und entschieden uns für die Mittel und Überzeugungswege.

Ziel war es von Anfang an, die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang zu erreichen. Das sollte gelingen durch eine hohe Präsenz des Kandidaten im Stadtgeschehen, eine möglichst positive Berichterstattung des lokalen Leitmediums sowie durch eine klare und kluge Kampagne, die die positive Bilanz des Kandidaten vermitteln und mit konkreten Zielen für die zweite Amtszeit verbinden sollte. Da wir von Boris Palmer frühzeitig in den Prozess eingebunden wurden, hatten wir erfreulicher Weise ausreichend Zeit für die Strategieerarbeitung und für die Entwicklung der Kampagne. Die interne Präsentation fand im Juni statt, zweieinhalb Monate also nach Beginn unserer Arbeit und vier Monate vor der Wahl.

CAB:

Wie groß war ihr Wahlkampfteam und ihr Budget?

Brockmann: Am Wahlkampf waren insgesamt über 80 haupt- und ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer beteiligt. Das Wahlbüro war mit zwei Mitarbeitern und zwei Praktikantinnen besetzt, an der Kampagne arbeiteten zwei Graphiker. Als Teamleiter habe ich alle Abläufe in Wahlkampf und Kampagne zusammengeführt und dabei eng mit dem Kandidaten und der Wahlkampfkommission zusammengearbeitet. Das Budget entsprach einem Euro pro Einwohner und setzte sich jeweils hälftig aus Spenden und aus Beiträgen der Partei zusammen.

CAB:

Wir erleben es immer wieder, dass noch bevor eine klare Strategie entsteht, Maßnahmen für den Wahlkampf entwickelt werden. Haben Sie diese Erfahrung im OB-Wahlkampf auch gemacht?

Brockmann:

Diese Erfahrung teile ich. Die Gründe für planloses oder vorschnelles Agieren sind in der Regel fehlende Strukturen, unklare Zuständigkeiten, Zeitdruck oder fehlende strategische Kompetenz im Team. Im Fall des OB-Wahlkampfes für Boris Palmer konnten wir das vermeiden. Hier war es entscheidend, dass mein Team und ich frühzeitig eingebunden wurden und dass es uns gelang, eine klare Struktur zu etablieren, sowohl was die interne Kommunikation und Zuständigkeit angeht, als auch in Bezug auf die Vorgehensweise.

CAB:

Wie konnten Sie Herrn Palmer von Ihrer strukturierten Herangehensweise überzeugen?

Brockmann:

Sicherlich war ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Verlässlichkeit die Grundlage für diese Art der Zusammenarbeit. Als Profi auf dem Gebiet der politischen Kommunikation war Boris Palmer schnell von der Bedeutung einer fundierten Strategie und einer strukturierten Vorgehensweise überzeugt.

CAB:

Auffällig ist es, dass egal über welche Wahl wir sprechen, immer wieder sehr viel Wahlkampfbudget in die Entwicklung von Plakaten fließt. Und das, obwohl die Wirkung von Plakaten bei Wahlen umstritten ist. Auch Sie haben Wahlplakate entwickelt, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Brockmann:

Es kommt darauf an, was mit den Plakaten erreicht werden soll. Plakate haben die Aufgabe Aufmerksamkeit zu erzeugen, Interesse und Sympathie zu wecken und Kernbotschaften zu vermitteln. Überzeugen kann ein Plakat nicht. Der Überzeugungsprozess muss auf anderen Wegen zu Stande kommen, etwa durch Inhalte.

Auch wir haben uns für eine aufwändige Plakatkampagne entschieden.

Im Rahmen der Analyse fanden wir herau

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s, dass sich die Tübingerinnen und Tübinger zu einem überwiegenden Großteil im Stadtbereich ohne Auto, das heißt mit dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß bewegten. Wir richteten unsere Plakatkampagne also an den Fußgänger- und Fahrradrouten der Stadt aus sowie an Bushaltestellen und öffentlichen Plätzen. Da sich die Betrachter im Vorbeifahren oder -gehen nun auch längere Zeit mit dem Plakat beschäftigen konnten, wurde eine ganz andere Art der Plakatgestaltung möglich, mit einer Fern- und einer Nahwirkung und mit mehr Text als den üblichen Drei-Wort-Botschaften. Somit hatte die Plakatkampagne in unserem Wahlkampf eine klare strategische Funktion.

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CAB:

Gibt es Erfolgsfaktoren für eine Kampagne? Welche drei Tipps geben Sie unseren LeserInnen für die Entwicklung einer effektiven und wirkungsvollen Strategie?

Brockmann:

Der aus meiner Sicht wichtigste Erfolgsfaktor einer Kampagne ist die ihr zugrundeliegende Strategie, die auf einer eingehenden Analyse beruht. [bctt tweet="Der wichtigste Erfolgsfaktor einer Kampagne ist ihre Strategie sagt @LorenzBrockmann"]

Die Bedeutung ebendieser Analyse ist kaum zu überschätzen. Kolleginnen und Kollegen empfehle ich zum Ersten genügend Zeit und ausreichend Ressourcen für die Analysephase einzuplanen und diese ergebnisoffen aber mit klaren Fragestellungen durchzuführen. Zum Zweiten ollten Ziele abgeleitet werden, die so präzise formuliert sind, dass sie im Ergebnis überprüft werden können. Diese Ziele gilt es deutlich nach Innen und nach Außen zu kommunizieren. Zum Dritten empfehle ich, der Entwicklung und Implementierung von Strukturen genügend Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Nur wenn Vorgehensweisen und Abläufe klar strukturiert und Zuständigkeiten geklärt sind, lassen sich die zur Verfügung stehenden Mittel auch zielgerichtet und effizient einsetzen.

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